Gesundheit vom eigenen Herd

Ob selbst gekochtes Essen besser schmeckt, wurde wissenschaftlich noch nicht belegt. Laut einer britischen Studie sind selbst zubereitete Mahlzeiten für Kinder aber auf jeden Fall gesünder, vor allem mit Blick auf Nahrungsmittelallergien.

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In der Küche selbst den Kochlöffel zu schwingen, beugt nach Ansicht der Wissenschaftlerin Kate Grimshaw Nahrungsmittelallergien vor. Die Diätetikerin und Humanbiologin von der Universität Southampton in England veröffentlichte im Jahr 2013 eine entsprechende Studie, in der sie mit einem Forscherteam präventive Ernährungsgewohnheiten untersuchte, die allergischen Reaktionen auf Lebensmittel entgegenwirken.
In der Medizin sind heute mehr als 170 solcher allergieauslösender Nahrungsmittel beschrieben, zu den bekanntesten zählen Erdnüsse, Fisch oder Eier. Kinder scheinen häufiger betroffen zu sein als Erwachsene. In Deutschland zum Beispiel leiden bis zu 8% der Minderjährigen an einer Lebensmittelallergie, bei den Volljährigen sind es ca. 5%. Allerdings schwanken diese Zahlen zur Verbreitung von Lebensmittelallergien teilweise stark, weil bislang keine einheitlichen Kriterien dazu vorliegen, welche Phänomene und Schweregrade als Allergie einzuordnen sind und welche nicht. Weiterhin variieren Allergien je nach Alter, Ethnie und Ernährung und auch von Region zu Region, wie der Autor und Wissenschaftsblogger Lars Fischer in einem Fachartikel für das Wissenschaftsmagazin Spektrum aufzeigt. Dadurch sind statistisch belastbare Aussagen zu Fallzahlen oder der Wirksamkeit von Therapien überaus schwierig.

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Anstieg der Allergien

Dennoch deuten aktuelle Untersuchungen in vielen Teilen der Welt auf einen Anstieg der Fallzahlen hin. So nahm die Häufigkeit bei US-amerikanischen Kindern in den Jahren 2009 bis 2011 auf 5,1% zu, verglichen mit 3,4% im Zeitraum 1997 bis 1999. In China belegt eine Klinikstudie für die Jahre 1999 bis 2009 einen Anstieg von 3,5% auf 7,7%. In Australien kletterte die Zahl der schweren Überempfindlichkeitsreaktionen des Immunsystems auf Lebensmittel, sogenannte anaphylaktische Schocks, um 350%. Der Ursprung dieser Allergien ist noch immer ungeklärt, auch Therapien existieren nicht. Daher untersuchte das Team um Kate Grimshaw an der Universität Southampton, ob unsere Ernährungsgewohnheiten möglicherweise einen Einfluss auf diese Entwicklungen haben. Zwei der dabei gewonnenen Erkenntnisse scheinen besonders interessant: So häuften sich Lebensmittelallergien bei jenen Kindern, die sehr früh, nämlich bereits mit viereinhalb Monaten, feste Nahrung zugefüttert bekamen. Außerdem sank die Häufigkeit, wenn während der ersten 12 Monate relativ mehr Obst und Gemüse gegessen, vor allem aber zu Hause mehr selbst gekocht wurde.

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Karotin und Oligosaccharide

Gerade der Zusammenhang mit selbst zubereiteter Nahrung erstaunte die Wissenschaftler. Eine mögliche Erklärung ist nach Meinung von Kate Grimshaw die Tatsache, dass in Selbstgekochtem grundsätzlich mehr Mikronährstoffe wie Vitamin C, Karotin oder Folsäure enthalten sind. Gleiches gilt für Oligosaccharide – das sind Zuckermoleküle – denen ebenfalls eine positive Beeinflussung des Immunsystems zugeschrieben wird.
Die Forscher werteten in ihrer Studie das Datenmaterial aus der sogenannten PIFA-Kohorte (Prevalenceof Infant Food Allergy) aus, in der mehr als 1000 britische Kinder analysiert wurden. Grimshaw konzentrierte sich dabei auf die Daten von 41 Kindern mit allergischen Reaktionen und weiteren 82 Kindern ohne. Sie untersuchte vor allem die Hauptkomponenten der im ersten Lebensjahr zugeführten Nahrung und die Verteilung der im zweiten Lebensjahr entstandenen Allergien.
Ganz praktisch sind aus den Ergebnissen der Studie folgende Schlüsse zu ziehen: Schon für Babys lohnt es, die ersten Mahlzeiten selbst zuzubereiten, Obst und Gemüse sind dabei die Nahrungsmittel der ersten Wahl. Allerdings ist es wenig hilfreich, mit einer solchen Zufütterung zu früh, also vor dem sechsten Lebensmonat zu beginnen. Setzt man damit allerdings zu spät ein, nämlich nach dem ersten Lebensjahr, wird die Chance für eine orale Toleranzentwicklung nicht selten verpasst. Daher scheint das Zurückgreifen auf natürliche und am heimischen Herd zubereitete Mahlzeiten eine der wenigen konkreten Maßnahmen zu sein, die eine belegbar positive Wirkung erzielen.

Zahlen:

Anteil der Frauen, die zu Hause kochen: 80%

Anteil der Männer, die zu Hause kochen: 35%

Anteil der Haushalte, in denen täglich ein selbst zubereitetes Mahl auf den Tisch kommt: 50%

Anteil der Haushalte in Großstädten ab 500.000 Einwohnern, in denen täglich ein selbst zubereitetes Mahl auf den Tisch kommt: 40%

Anteil der Befragten, die nicht selber kochen, weil sie nicht kochen können: 10%

Anteil der Befragten, die nicht selber kochen, weil sie keine Lust dazu haben: 17%

Anteil der Frauen, die keine Zeit haben, selber zu kochen: 28%

Anteil der Männer, die keine Zeit haben, selber zu kochen: 40%

(Quelle: Iss was, Deutschland? TK-Studie zum Essverhalten der Menschen in Deutschland, 2013)

Studien:

Grimshaw KE et al. (2013) Diet and food allergy development during infancy: Birth cohort study findings using prospective food diary data. J Allergy ClinImmunolpii: S0091-6749(13)00912-3. eprints.soton.ac.uk/356523/

Links:

www.tk.de/centaurus/servlet/contentblob/498464/Datei/64173/TK_Studienband_zur_Ernaehrungsumfrage.pdf
www.spektrum.de/wissen/wie-kakerlaken-allergien-verursachen-und-was-das-mit-krebs-zu-tun-hat/1333028
www.foodallergy.org/document.doc
www.sciencedaily.com/releases/2012/06/120627103352.htm
www.sciencebasedmedicine.org/food-allergies-facts-myths-and-pseudoscience/
www.torontosun.com/2015/02/24/dishwashing-by-hand-reduces-allergies-in-kids-study
www.elternwissen.com/ernaehrung-kinder/beikost/art/tipp/babybrei-glaeschen-oder-selbst-kochen.html
edoc.rki.de/oa/articles/reanlTxmpPiBk/PDF/27CDfhKBFstMs.pdf
www.allum.de/wissenswertes/kiggs-studie-zum-gesundheitszustand-von-kindern-und-jugendlichen
www.ugb.de/allergien-immunsystem/allergien-praevention-von-klein-auf/