„Tischmanieren“ als Gesundheitsvorsorge
Kanadische Wissenschaftler haben bei Kindern einen Einfluss der Essgewohnheiten auf deren Gesundheit im Erwachsenenalter nachgewiesen.
Ob beim Abendessen der Fernseher läuft, ist für eine gesunde Ernährung ebenso bedeutsam wie die Frage, was auf den Teller kommt. Das behaupten Wissenschaftler der Universität Toronto, die das Essverhalten von mehr als tausend Vorschulkindern untersuchten. Wie wir als Kinder essen, wirkt sich demnach bis ins Erwachsenenalter auf unsere Gesundheit aus.

Eine Forschergruppe analysierte, ob unterschiedliche Essgewohnheiten bei Kindern zu Veränderungen wichtiger Blutwerte führen. Untersucht wurden bei den Drei- bis Fünfjährigen aus dem Raum Toronto unter anderem Verhaltensweisen wie Fernsehen beim Essen, die Frage, ob der Teller leer gegessen werden muss oder nicht, wie oft am Tag gegessen wird oder ob Unruhe und Ablenkungen während der Mahlzeiten auftreten. Die Mediziner beobachteten dabei vor allem die Konzentration von LDL-Cholesterin, einem wichtigen Risiko-Marker für Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Erwachsenenalter. Die überraschende Erkenntnis: Nicht die Nahrung selbst, sondern vorallem die Art ihrer Einnahme wirkte sich auf den Cholesterinspiegel der Kinder aus.
Training bei Tisch
Tischmanieren sind somit eine effektive Form der Gesundheitsvorsorge. Nach Ansicht der Wissenschaftler reicht es daher auch nicht aus, auf die schwerwiegenden Folgen falscher Ernährung, wie etwa Fettleibigkeit oder Diabetes bei Kindern, mit dem bloßen Propagieren gesunden Essens zu reagieren. Vielmehr sollten gesundheitspolitische Programme beim Essverhalten in den Familien und Schulen ansetzen.

Auf die Bedeutung des Essverhaltens weisen mittlerweile viele Experten hin. Der deutsche Ernährungspsychologe Thomas Ellrot meint zum Beispiel, dass auch die Frage, was Kinder essen mögen, vor allem dadurch zu beeinflussen ist, wie zu Hause gegessen wird. Die Esskultur bezeichnet er als ein lebenslang wirksames Einüben der bevorzugten Lebensmittel. Grundsätzlich ahmen die Kinder dabei die Eltern, aber auch die Altersgenossen nach. Ältere Kinder lassen sich auch von den Medien leiten. Ellrots Botschaft an die Eltern: Ernährungswissen allein führt bei Kindern nicht zur Einsicht! Die Aussage, etwas sei gesund, löst bei Kindern vielmehr typische Ablehnungsreaktionen aus. Die vorgelebte Begeisterung für einen frischen Salat funktioniere dagegen schon eher. Verhalten wächst immer aus Gewohnheit. Die Aufmerksamkeit, die Eltern heute für die Zubereitung – vor allem aber für die Mahlzeiten selbst –aufbringen, beeinflusst die Gesundheit ihrer Kinder bis ins Erwachsenenalter. Wenn das kein Grund für ein gemütliches Abendessen mit Zeit und ohne Ablenkungen ist! Sollten die Kleinen dabei trotzdem auf Nuggets und Pommes bestehen, rät Thomas Ellrot zur konsequenten Verhaltenstherapie: die Kinder ruhig so lange ungesund essen lassen, bis sie von ganz allein nach etwas anderem verlangen. Laut Ellrot verlangt der Körper auch des trotzigsten Kindes spätestens nach wenigen Tagen nach Obst und Gemüse. Stärker als Argumente wirkt dann der Überdruss.
So lernen Kinder gesundes Essverhalten
- Mahlzeiten ohne Zwang
Aufessen zu müssen verhindert bei Kindern die Entwicklung eines natürlichen Sättigungsgefühls. - Im eigenen Takt
Kinder sollten dann essen, wenn sie hungrig sind. Ihr Kind bestimmt die Menge und auch das Tempo. - Angebot und Nachfrage
Stellen Sie ein ausgewogenes und vielfältiges Essensangebot bereit. Dem Kind überlassen sie es dann, was und wie viel es davon isst. - Kein Stress
Essen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind in einer entspannten Atmosphäre. Das heißt: Auch Fernseher und Smartphone haben beim Essen Pause. - Vom Essen satt werden
Vermeiden Sie vor und während der Mahlzeiten süße und kalorienhaltige Getränke. Die sättigen und lassen keinen Platz mehr für das Essen selbst. - Vorbild
Leben Sie selbst dem Kind vor, was schmeckt und gesund ist.
Zahlen zur Ernährung bei Kindern
Anstieg der Zahl der übergewichtigen Schulanfänger in den vergangenen 25 Jahren | 100 % |
Anstieg der Zahl der übergewichtigen Zehnjährigen in den vergangenen 25 Jahren | 400 % |
Anzahl der in Deutschland übergewichtigen Mädchen und Jungen | 3,5 Mio. |
Anteil der krankhaft übergewichtigen Fünf- bis Siebenjährigen in Deutschland | 4 % |
Anteil der krankhaft übergewichtigen Zehn- bis Vierzehnjährigen | 8 % |
Anteil der Deutschen, für die es beim Essen am wichtigsten ist, dass es lecker schmeckt | 45 % |
Anteil der Deutschen, für die das Wichtigste beim Essen ist, dass es gesund ist | 35 % |
Anteil der 18- bis 25-jährigen Deutschen, für die das Wichtigste beim Essen ist, dass es gesund ist | 23 % |
Anteil der 18- bis 25-jährigen Deutschen, die das auch im Alltag umsetzen | 10 % |
Anteil der Deutschen, die als größte Hürde für eine gesunde Ernährung fehlende Zeit und Ruhe nennen | 50 % |
Anteil der Deutschen, bei denen beim Essen der Fernseher oder Computer läuft | 1/3 |
Anteil der unter 25-jährigen Deutschen, die während des Essens mit dem Smartphone spielen | 25 % |
Anteil der Deutschen, die mit ihrem Gewicht unzufrieden sind | 50 % |
Quelle: Ernährungsstudie "Iss was, Deutschland" (TKK)